Das in Mülheim an der Ruhr erfolgreich erprobte Konzept wird ausgeweitet und über vier Jahre vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert. Ziel ist eine verbesserte Versorgung.
Es ist der Traum vieler älterer Menschen: Trotz gesundheitlicher Einschränkungen wieder aktiver und eigenständiger zu werden. Zwei Einrichtungen der Evangelischen Altenhilfe Mülheim an der Ruhr gGmbH setzen diesen Ansatz bereits seit Jahren erfolgreich um. Nun wird das Konzept unter Federführung der AOK Rheinland/Hamburg ausgeweitet. Im April startet das vom Innovationsaus-schuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geförderte Projekt „SGB Reha“. Die Therapeutische Pflege mit rehabilitativen Anteilen wird für vier Jahre von zwölf weiteren Heimen der stationären Altenhilfe übernommen und außerdem wissenschaftlich begleitet.
Perspektivisch sollen dadurch Impulse für eine Neuordnung der Schnittstelle zwischen Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Pflegeversicherung gesetzt und die therapeutisch-rehabilitative Pflege als neuer Behandlungsstandard etabliert werden. „SGB Reha“ steht für „Sektorenübergreifende gerontopsychiatrische Behandlung und Rehabilitation in Pflegeheimen“. Das Fazit der beiden Häuser der Evangelischen Altenhilfe Mülheim an der Ruhr gGmbH, die das Konzept der therapeutisch-rehabilitativen Pflege entwickelt haben und bereits umsetzen, ist durchweg positiv. Dank individueller Therapien und Behandlungen unter multiprofessioneller Aufsicht und Abstimmung werden einige Bewohnerinnen und Bewohner sogar so mobil und eigenständig, dass sie aus dem Pflegeheim in das eigene Zuhause zurückkehren können.
Unter Federführung der AOK Rheinland/Hamburg und unter wissenschaftlicher Begleitung durch die Universität Potsdam und die Medizinische Hochschule Brandenburg begleiten die DGGPP (Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie) e.V. und die Evangelische Altenhilfe die Implementierung des neuen Konzeptes in zwölf weiteren Einrichtungen.
Das Ziel: Fähigkeiten von Pflegebedürftigen zu aktivieren
„Pflegebedürftigen ein weitgehend selbstständiges Leben zu ermöglichen, ist ein Ziel, das jede Unterstützung verdient. In unserem gegenwärtigen System verschenken wir bestehende Potenziale: Eine individuelle Versorgungsplanung, die einen Fokus auf die Rehabilitation und Wiederherstellung verlorener Fähigkeiten legt, wäre ein echter Richtungswechsel. Sie ermöglicht den Bewohnerinnen und Bewohnern oft sogar den Weg von der Pflegeeinrichtung zurück ins eigene Zuhause“, sagt Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Die Erfahrungen in Mülheim legten nahe, so Mohrmann, dass sich die Gesellschaft eine
patientenorientiertere und bessere Pflege nicht nur leisten könne, sondern dass sowohl Pflegebedürftige als auch die Volkswirtschaft davon sogar profitieren. „Dafür müssen die Grenzen zwischen Kranken- und Pflegeversicherung abgebaut wer-den. Es ist sinnvoll, Therapie- und Rehabilitationsleistungen in die soziale Pflegeversicherung zu integrieren.“
Pflegeberufe werden attraktiver, Behandlungskosten sinken
Das Konzept, das nun auf zwölf weitere Einrichtungen ausgeweitet wird, trägt dazu bei, die Alltagsfertigkeiten und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu steigern und bestehende Rehabilitationspotenziale besser zu nutzen, denn diese kommen im stressigen Pflegealltag oftmals zu kurz. Projektinhalte von „SGB Reha“ zielen darauf ab, die Arzneimittelgabe und die Zahl der Krankenhausaufenthalte zu reduzieren und die Behandlungskosten zu senken. Zudem verbessert sich das gesellschaftliche Bild des Pflegeheims. Damit einher geht eine höhere Wertschätzung von pflegebedürftigen Menschen und Pflege-kräften. Langfristiger Effekt: Pflegeberufe werden attraktiver
Zu dem Erfolgsgeheimnis der therapeutischen Pflege mit rehabilitativen Anteilen zählt, dass verschiedene Professionen aus Therapie, Medizin, Pflege, Betreuung und Pharmazie Hand in Hand arbeiten. Nach dem Einzug in die Einrichtung analysiert das multiprofessionelle Team die individuelle Situation der Patientinnen und Patienten. So entsteht ein umfassendes Bild der Anamnese. Auf dieser Basis können therapeutische Interventionen und weitere Maßnahmen wie eine Reduktion der Medikamente genau definiert werden.
Dazu sagt Oskar Dierbach, langjähriger geschäftsführender Pflegedienstleiter der Ev. Altenhilfe Mülheim gGmbH: „Wenn wir den großen Schatz an therapeutischem Fachwissen in kleinen Einheiten in den Lebens- und Pflege-alltag einer Langzeitpflege integrieren und Pflegekräfte Teil des therapeutischen Handelns werden, ist rehabilitative Pflege beim Menschen angekommen. Dann wird die Frage, was jemand morgen wieder können möchte, handlungsleitend.“ Eine Abkehr von der Defizitorientierung in unserem Pflegesystem und stattdessen eine Einbeziehung aller Professionen und Akteure einschließlich des pflegebedürftigen Menschen in einen rehabilitativ ausgerichteten Pflege-prozess führten, so Dierbach, zu neuem Lebensmut beim Betroffenen, zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit und zu verbesserter Wirtschaftlichkeit.
Zum Konsortium
Die Konsortialführung des Projekts „SGB Reha“ liegt bei der AOK Rheinland/Hamburg. Konsortialpartner sind die Universität Potsdam (Lehrstuhl der Sozial- und Präventivmedizin), die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (Institute für Sozialmedizin und Epidemiologie sowie für Biometrie und Registerforschung), die Deutsche Akademie für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DAGPP) und die Evangelische Altenhilfe Mülheim an der Ruhr gGmbH mit den Häusern Ruhrgarten und Ruhrblick. „SGB Reha“ wird über vier Jahre aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert.
Diese Pflegeheime schließen sich „SGB Reha“ an
Aachen: Deutscher Orden, Haus St. Raphael
Bonn: Cellitinnen-Seniorenhaus Maria Einsiedeln Düren: Cellitinnen-Seniorenhaus St. Ritastift Essen: Karl-Heinz-Balke-Haus
Hamburg: Wohn-Pflegeeinrichtung im Albertinen Haus – Zentrum für Ge-riatrie und Gerontologie
Hamburg: Hospital zum Heiligen Geist mit Oberalter Stift Hamburg: Residenz am Wiesenkamp
Hilden: Seniorendienste Stadt Hilden gGmbH, Seniorenzentrum Erikaweg
Krefeld: Städt. Seniorenheime Krefeld gGmbH, Seniorenheim Linn
Krefeld: Städt. Seniorenheime Krefeld gGmbH, Cornelius-de-Greiff-Stift
Rösrath: Alten- und Pflegeheim Wöllner-Stift gGmbH
Wadersloh-Diestedde: Seniorenheim Haus Maria Regina